ludorf jule2Die Spvgg. Erkenschwick trauert um seine Legende Julius „Jule“ Ludorf.

„Jule“ Ludorf war am 02. Dezember 1919, in Rapen (damals noch zu Datteln gehörend) geboren und aufgewachsen auf der Oer-Erkenschwicker von-Waldthausen-Straße in einem Koloniehaus mit der Hausnummer 51 in unmittelbarer Nachbarschaft der heimischen Steinkohlenzeche „Ewald“. Das war damals eben typisch für viele Fußballer aus dem Ruhrgebiet in der Mitte des 20. Jahrhunderts.

 

 Der letzte Himmelsstürmer ist tot: Jule Ludorf verstarb am Wochenende im Alter von 95 Jahren. Das Foto datiert aus dem Jahre 2007. Foto: Krimpmann

„Jule“ war der Älteste von sechs Geschwistern. Mit seiner Ehefrau Paula war er bis zu ihrem Tode knapp 55 Jahre – von 1940 bis 1995 - verheiratet. Er wurde als Kind früh Halbwaise, da seine Mutter an Tuberkulose starb. Mit 15 Jahren begann „Jule“ eine Ausbildung als Schmied und Schlosser auf der Zeche „Ewald“. Sein Ausbilder hieß Hubertus Bergmann; er trug – so ließ „Jule“ verlauten - niemals Strümpfe bei der Arbeit. „Jule“ spielte nebenher Fußball, zunächst in der Jugendmannschaft des VfL Rapen – dem Vorgängerverein des heutigen FC 26 Erkenschwick -, später dann bei der Spvgg. 1916 Erkenschwick, die ihn aufgrund einer Sondergenehmigung schon mit 16 Jahren in der ersten Senioren-Mannschaft einsetzen durfte.

Seinen Wehrdienst absolvierte er in der niedersächsischen Metropole Hannover, wo er für die dort heimischen 96er antrat. Anschließend kehrte er in seine Heimatstadt und zur Spvgg. 1916 Erkenschwick zurück, mit der er im Jahre 1943 in die damalige Gauliga-Westfalen aufstieg.

Bald wurde Jules Torgefährlichkeit auch höheren Orts erkannt, und noch während des Krieges berief man ihn erstmals in die Westfalenauswahl.

Von 1945 bis 1947 spielte „Jule“ mit seiner Spvgg. Erkenschwick in der Landesliga Westfalen, von 1947 bis 1953 in der damals neu gegründeten Oberliga West, u.a. mit  FC Schalke 04, Borussia Dortmund, 1. FC Köln, SV Sodingen (Herne), Sportfreunde Katernberg (Essen), STV Horst-Emscher (Gelsenkirchen), VfL Witten 07, Hamborn 07 (Duisburg), RW Oberhausen, Vohwinkel 80 (Wuppertal), Preußen Dellbrück (Köln) und Alemannia Aachen – heute in etwa mit der Fußball-Bundesliga zu vergleichen -.

Dort war er dreimal unter den besten Torschützen neben August Lenz (Borussia 09 Dortmund) und Alfred Kelbassa (STV Horst-Emscher) zu finden und zudem mehrfacher Westfalen- und Westdeutschland-Auswahlspieler. In exakt 161 Oberligaspielen erzielte er 75 Tore für seine Spvgg. Erkenschwick und war zudem deren Mannschaftskapitän. Alle Spiele in seiner aktiven Zeit mitgezählt sollen es - nach Aussagen Jules – um die 1.000 von ihm erzielte Tore für seinen Heimatverein gewesen sein.

Nach einem 5:0 Auswärtssieg bei Alemannia Aachen zum Oberligaauftakt 1947/48 gehörte „Jule“ ab sofort zu den bezeichneten Erkenschwicker „Himmelsstürmern“, so die Titulierung eines Bahnschaffners auf der Rückfahrt per Zug nach dem triumphalen Erfolg aus der Kaiserstadt Aachen.  Trainer dieser Oberligatruppe war übrigens Schalkes Idol Ernst Kuzorra.

Zu seinen sportlich wichtigsten Momenten zählte Jules Treffer, durch den die Spielvereinigung dem FC Schalke 04 am 14. Oktober 1947 in deren alt-ehrwürdigen Gelsenkirchener Glückauf-Kampfbahn vor 25.000 Zuschauern die erste Pflichtspiel-Heimniederlage mit 1:2 nach dem Zweiten Weltkrieg beibrachte.  Der Torhüter und spätere langjährige Geschäftsführer des Vereins Heinz Cichutek sagte mir einmal, dass für ihn die letzten 20 Minuten dieses Spiels die längsten in seinem Leben gewesen waren.    Ebenso sprechen die Älteren unter uns heute noch vom sensationellen 6:4-Auswärtssieg (Halbzeit 5:0) an der Hafenstraße gegen Helmut Rahns, August Gottschalks und Berni Termaths Rot-Weiße aus Essen auf Schneeboden mit in Petroleum getränkten Fußballschuhen. Das war der eigentliche Trick bei diesen widrigen Wetter- Platzverhältnissen. Die Essener rutschten mit ihrem Schuhwerk im Stile von Eishockeycracks über den schneeglatten Rasen und wollten in der zweiten Halbzeit sogar barfuss weiterspielen; der Schiedsrichter erlaubte es aber nicht. Den hohen Pausenrückstand konnten die Essener in der zweiten Halbzeit daher nicht mehr egalisieren.

Wie die meisten seiner Mitspieler arbeitete „Jule“ tagsüber auch weiterhin auf der Zeche Ewald vor Ort, an deren Zaun auch seine Wohnung lag, und kam deshalb manchmal erst unmittelbar vor Spielbeginn in Arbeitskleidung ins Stimbergstadion, wohin er es aber auch nicht weit hatte. Unser Stadion lag damals bekanntermaßen auf dem nahe gelegenen Areal neben dem Zechengelände nur getrennt durch die Stimbergstraße.

Anders als beispielsweise sein offensiver Mitspieler „Siggi“ Rachuba widerstand „Jule“ den finanziellen Verlockungen, mit denen die damals reichen Preußen aus Münster sich Ende der vierziger Jahre ihren berühmten „100.000-Mark-Sturm“ zusammenkauften. Das verdient Respekt - „Jule“. Dafür ließ „Jule“ sich aber Anfang der fünfziger Jahre überreden, als Gastspieler beim damaligen Oberligisten und Ligakonkurrenten Borussia 09 Dortmund drei Freundschaftsspiele in England auszutragen – für „Jule“ damals der erste Flug überhaupt - und, wie er später erzählte, das erste Mal nach dem Wehrdienst, dass er länger als 24 Stunden den Förderturm der Zeche Ewald nicht sehen konnte. „Jule“ wurde leider kein deutscher Nationalstürmer, obwohl er als selbst ernannter „König von Erkenschwick“ tatsächlich in Sepp Herbergers - neben der sehr starken Konkurrenz zu dieser Zeit aus Kaiserslautern - oft zitiertem Notizbuch stand. Er habe auf einen Brief des Bundestrainers, sich zu einem bestimmten Termin zum DFB-Sichtungslehrgang in Duisburg einzufinden, geantwortet:   „Lieber Herr Herberger, ich würde gerne zu dem Lehrgang kommen. Aber am 25. kann ich nicht, weil da mein Schwager und Erkenschwicker Mitspieler „Kalli“ Matejka mit seiner Friedchen Hochzeit feiert. Aber ein andermal komme ich gerne.“ Sepp Herberger – von Fritz Walter ehrwürdig nur der „Chef“ genannt - hat darauf nicht geantwortet und unser aller Idol „Jule“ nie wieder eingeladen.

Nebenher und nach seiner aktiven (Fußballer)Zeit ab dem Jahre 1953 trainierte „Jule“ unter anderem die A-Junioren seines Erkenschwicker Vereins, wo er auch den späteren Nationalspieler und ersten Italienlegionär Horst „Schorse“ Szymaniak entdeckte. Seine langjährige sportliche Erfahrung - verbunden mit reichlich viel Fußballsachverstand - konnte „Jule“ so weiter vererben. Der ehemalige Internationale Szymaniak verstarb kürzlich am 09. Oktober 2009 im Alter von 75 Jahren in einem  Pflegeheim in Melle (bei Osnabrück) an einer langen, schweren Krankheit. Sein Mentor „Jule“ Ludorf nahm als sogenannte „Erkenschwicker Delegation“ in Begleitung seiner Tochter und eines Neffen neben weiteren 350 Trauergästen an seiner Beerdigung teil.

In der Saison 1960/61 coachte er den SV Germania Datteln und führte unseren Nachbarverein zur Westfalenmeisterschaft nach drei erforderlichen Spielen gegen die Sportfreunde Siegen. Auch als Übungsleiter fungierte er in den siebziger Jahren noch beim FC 26 Erkenschwick.

Er schulte nach seiner sportlichen Karriere beruflich zum Sportlehrer um und war dort zuletzt in dieser Funktion 13 Jahre - bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand - an einer Gladbecker Schule tätig.

Die gesamte Spielvereinigung wird "Jule" immer in liebevoller Erinnerung behalten.

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