Spielabsagen, Saisonunterbrechung - das sind heute die Schlagzeilen. Vor 70Jahren war das anders. Wenige Jahre nach Kriegsende strömten die Massen in die Stadien. Wie am 26. März 1950 am Stimberg ...
Wieviele Zuschauer heute vor 70 ]ahren tatsächlich dabei waren im Stimberg-Stadion, weiß heute keiner mehr so genau. Sind es 22.000, wie die Chronik der Spvgg. Erkenschwick festhält? 25.000?
Oder sogar fast 30.000, wie unser Reporter damals meinte?
Sicher ist: Es ist der bis heute gültige Stadionrekord - niemals zuvor oder nachher strömten mehr Zuschauer in die Arena als am 26. März 1950.
Es war ein Sonntag, der wie gemacht schien fürs Revierderby zwischen Erkenschwick und dem FC Schalke 04. Die Duelle zwischen den Schwarz-Roten und dem Renommier-Klub aus Gelsenkirchen, beide 1947 Gründungsmitglieder der Oberliga West, gehörten Zu den Sternstunden in der frühen Geschichte der Spielklasse.
"Weißblauer Himmel über den Fördertürmen Ewalds. Ein Tag zum Bäumeausreißen", hieß es in der Recklinghäuser Zeitung damals blumig. In der Hinrunde, im Herbst 1949, hatten die Königsblauen die Spielvereinigung mit einer 4:0-Packung aus der Glückauf-Kampfbahn heim an den Stimberg geschickt. Nun wollten die Schwarz-Roten Revanche.
Lienhardt macht großen Bogen um den Schnaps
"Wir haben uns gut vorbereitet und geschont", gab "Bubi" Lienhardt, eine der Erkenschwicker Stützen, vor dem Spiel zu Protokoll. "Wir haben "n großen Bogen um jedes Schnappspinnken gemacht Und was ein gewisses Mädchen in Erkenschwick betrifft, so ist sie mir schon beinahe böse, weil ich mich die ganze Woche noch nicht habe sehen lassen." Es sollte sich (fast) auszahlen ...
Schon in der dritten Minute wird die erste große Chance für die Spvgg. notiert: ]ule Ludorf, damals der Star der Mannschaft, "ist nach linksaußen gewechselt. Er jagt die Linie entlang. Und wie er jagt. Aus vollem Lauf ein Mordsschuss. Ganz flach. Glashart. Kwiatkowski (Schalkes Torhüter) sieht das Ding' ankommen. Hechtet mit großartigem Sprung.
"Die Hölle ist los", notiert der Reporter
Es ist der Auftakt zu einem denkwürdigen, turbulenten Fußballnachmittag, der in der zweiten Halbzeit richtig Fahrt aufnimmt. In der 47. Minute bringt Ludorf die Spvgg. mit 1:0 in Führung. "Die Hölle ist los", notiert unser Reporter. Schalke schlägt 20 Minuten später zurück: Erwin Ebert bezwingt Erkenschwicks Torhüter und Spielertrainer Willy Jürissen - 1:1. In der 72. Minute schlägt Schalkes Torjäger erneut zu: 1:2 für die gefälliger kombinierenden Königsblauen.
Die Gastgeber werfen kämpferisch alles in die Waagschale. "Bubi" Lienhardt gleicht nach einem Eckball schnell zum 2:2 aus (75.). Und die Spvgg. lässt nicht locker: In der 83. Minute passt Torschütze Lienhardt zu .Kalli" Matejka, der den Ball weiter zu Ludorf leitet. Erkenschwicks Kapitän fackelt nicht lange: "Und bumms - 3:2. Die Kameraden fallen über ]ule her, wollen ihn vor Freude fast erdrücken, während von den Rängen ein ohrenbetäubender ]ubelakkord über das Feld braust.
Den Schlusspunkt aber setzen die Schalker: Drei Minuten vor Toreschluss zieht Herbert Sandmann unhaltbar ab, ]ürissen reagiert erst gar nicht - 3:3. Geknickt ist nach dem Schlusspfiff aber niemand: Es war "ein Kampf, der niemanden unberührt ließ, der begeisterte, der mitriss", lautete das Fazit in der Presse.
Spvgg. Erkenschwick - FC Schalke 04 3:3 (0:0) Spvgg.: Jürissen - Smigielski, Komorowski, Sperl, Silvers, Berger, Matejka, Pawellek, Lienhardt, Ludorf, Kitza - Spielertrainer: Willy Jürissen Schalke 04: Kwiatkowski - Kretschmann, Matzek, Dargaschewski, Matzkowski, Zwickhöfer, Sandmann, Eppenhoff, Ebert, ]ahnel, Bebrin
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Quelle: Thomas Braucks - Stimberg-Zeitung